Dr. Monika Pobiruchin ist Medizininformatikerin, die 2017 an der Universität Heidelberg über die Nutzung von Routinedaten promovierte. Seitdem forscht und lehrt sie als Senior Scientist an der Hochschule Heilbronn. Im Jahr 2016 war sie Mitbegründerin der Colorful Bytes GmbH, eines innovativen Lösungsanbieters, der maßgeschneiderte Informationen für EventbesucherInnen digital bereitstellt.
Für das ZWM führt sie den Online-Workshop „Wirkungsvolle Datenvisualisierung für WissenschaftsmanagerInnen“ am 10.11. & 01.12.2025 und nochmals im Februar 2026 durch.
Ihr Alltag ist geprägt von zahlreichen Vorträgen und Präsentationen. Ob bei Projektpräsentationen für Kunden, im Vorlesungsraum oder als eingeladene Keynotespeakerin auf Konferenzen – ihre Devise ist: Wir müssen unsere neuesten Erkenntnisse, spannende Daten und Handlungsempfehlungen noch besser vermitteln, um unsere Zielgruppen wirklich zu erreichen.
Liebe Frau Dr. Pobiruchin, was ist dran an der Binsenweisheit „Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte“ und wo sind Bereiche, in denen diese nicht mehr gültig ist?
Da ist sehr viel dran. Wir verarbeiten Bilder sehr schnell und intuitiv, dabei laden wir Bilder mit unseren Erfahrungen und dem jeweiligen Kontext auf. Ein Beispiel, das ich in meinen Kursen gerne zeige, ist, wie allein unterschiedliche Schriftarten denselben Satz ganz unterschiedlich wirken lassen: Von verspielt romantisch bis hin zum Gruselfaktor.
Wenn Bilder allerdings zu stark reduziert sind, wenn sie den Kontext ausklammern oder bewusst Informationen weglassen, dann ist Vorsicht geboten. Und wir leben ja in einer zunehmend komplexer werdenden Welt – von den Gefahren durch Deep Fakes ganz zu schweigen. Viele „Bilder“ gerade in den Sozialen Medien müssen wir zunehmend hinterfragen.
Sind wir in Zeiten von Smartphone, Tablet, Desktop und TV alle sehr visuell-lastige Menschen – im Vergleich zur unterrepräsentierten Stimulierung der anderen Sinne?
Absolut, aber das liegt meiner Meinung nach nicht allein an der Omnipräsenz von Smartphone und Co. Unser visuelles System hat sich evolutionär sehr stark entwickelt. Es gibt Experimente, dass sogar schon Babys auf Bilder von Spinnen mit Unbehagen reagieren. Visuelle Reize sind also sehr dominant. Oder denken Sie auch an die berühmten Signalfarben, die sofort unsere Aufmerksamkeit wecken – ganz unbewusst. Daher ist es einfach nur clever, dieses mächtige System bei der Informationsvermittlung zu nutzen. Mit keinem anderen Sinn können Sie so „dicht“ Informationen rüberbringen.
Woran erkennen Sie eine effektive Datenvisualisierung, gibt es „untrügliche Indikatoren“ dafür?
Da möchte ich zwei Ebenen aufmachen. Zum einen ist eine Datenvisualisierung effektiv, wenn sie die Bedürfnisse der Zielgruppe mitbedacht hat. Für einen populärwissenschaftlichen Vortrag muss ich andere Voraussetzungen der Zielgruppe anlegen als für eine Visualisierung in einem Fachmagazin. Ein Beispiel: Säulendiagramme dürften den meisten von uns aus der Schule bekannt sein und wir wissen, wie diese zu dekodieren sind, aber Korrelationsmatrizen nicht unbedingt.
Die zweite Ebene:  Effektiv ist eine Datenvisualisierung, wenn sie keine unnötigen Elemente aufweist. Einer der Pioniere der Informationsvisualisierung, der Statistiker Edward Tufte nennt diese unnötigen Elemente „Chart Junk“.
Die Infografik war ja einst ein Distinktionsmerkmal der Zeitschrift FOCUS, welche Tipps geben Sie für gelungene Infografiken – ist weniger mehr?
Wie gesagt, eine Datenvisualisierung sollte keine unnötigen Elemente aufweisen, wenn sie „effektiv“ sein soll. Da passt also die Devise „weniger ist mehr“. Aber wir wissen genauso: Infografiken brauchen manchmal auch einen gewissen Hingucker, damit die Leser*innen gefesselt werden, den Text lesen, etc.
Manch plakative Aufbereitung von Daten ist vielleicht nicht effektiv, weil sie unnötige Elemente enthält, Tufte würde sagen, „Junk“ enthält. Aber dafür bleibt sie im Kopf der Leser*innen hängen – manchmal sogar noch über Wochen und Monate.
Letztlich ist es ein Mittelweg, den es da zu beschreiten gilt. Ideal ist es natürlich, wenn sich die LeserInnen selbstbestimmt noch tiefer in die Daten reinwühlen können. Das ist der große Vorteil von interaktiven Infografiken, die es im Internet auch zuhauf gibt.
Welche Lektüre hat Sie zuletzt in Bann geschlagen – sei es Fachliteratur oder Belletristik?
Im Sommer las ich „Ultra-Processed People: Why Do We All Eat Stuff That Isn’t Food… and Why Can’t We Stop?“ von Chris van Tulleken. Wissenschaftlich fundiert stellt der Autor dar, welche gesundheitlichen Auswirkungen hoch-prozessierte Lebensmittel auf uns haben – oder vermutlich haben. Vieles ist hier noch nicht erforscht oder erinnerte mich stark an die Forschungslandschaft und Lobbyarbeit zur Gefährlichkeit des Rauchens vor etlichen Dekaden. Einen Abriss über die historische Entwicklung von industriell gefertigten Lebensmitteln erhält man nebenbei auch. Fans von Sebastian Lege (bekannt aus den ZDF-Sendungen) werden auch dieses Buch interessant finden.
Als nächstes möchte ich mir den neuen Roman von Dan Brown „vorknöpfen“.