TrainerInnen am ZWM: Dr.-Ing. Lea Schönberger

Dr.-Ing. Lea Schönberger © Nici van Grote
Dr.-Ing. Lea Schönberger © Nici van Grote

Dr.-Ing. Lea Schönberger ist promovierte Informatikerin und freie Wissenschaftskommunikatorin. Die Wahldortmunderin studierte Informatik mit Nebenfach Latein in Münster und Informatik in Dortmund, wo sie im Jahr 2023 ihre Promotion abschloss. Seit 2020 widmet sie sich zusätzlich dem Studium der Komparatistik und klassischen Philologie in Bochum. Als Host des Podcast „Informatik für die moderne Hausfrau“ bringt sie einem interessierten Publikum Inhalte mit Informatikbezug näher und bietet interessanten Frauen eine Bühne.

 

Für das ZWM führt sie Veranstaltungen rund um den nutzerorientierten Einsatz von KI in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen des Wissenschaftsmanagements durch:

Liebe Frau Dr. Schönberger, Mustererkennung, automatisierte Tätigkeiten gelten u.a. als eine Domäne von Künstlicher Intelligenz, werden wir Menschen komplementär dazu „menschlicher“ werden aufgrund der Entlastung und Umgewichtung durch KI?

Das ist keine Frage, die ich einfach mit Ja oder Nein beantworten kann. Was verstehen wir denn eigentlich unter „menschlich“? Ich persönlich glaube, dass die Verbreitung von (generativer) KI dazu geführt hat, dass wir uns genau darüber verstärkt Gedanken machen, vielleicht ausgelöst durch das Bedürfnis, uns von dem ‚Nicht-Menschlichen‘ abzugrenzen, also von allem, was mit KI zu tun hat.

Das ist wahrscheinlich nicht die Antwort, die Sie von einer Informatikerin erwarten würden, deshalb noch einmal etwas weniger abstrakt: KI kann uns an vielen Stellen entlasten, sie hilft uns dabei, Abläufe und Prozesse zu automatisieren und zu optimieren. Dadurch können wir Zeit einsparen, die sich wiederum für andere Dinge nutzen lässt, etwa für kreative Tätigkeiten, Care-Arbeit oder gesellschaftliches Engagement. Wie bei jeder Technologie hängt es allerdings am Ende von uns selbst ab, welche Wirkung sie hat, also ob sie uns menschlicher oder durch fahrlässigen Einsatz eher unmenschlicher macht.

Wird KI nach Ihrer Einschätzung das Förderwesen künftig komplett auf den Kopf stellen – werden KI-generierte Förderanträge auf Seiten der Fördergeber ebenfalls von Künstlicher Intelligenz bewertet und bewilligt werden, ein Ping-Pong ohne nennenswerte Beteiligung von Menschen?

Diese Frage wird mir in Workshops tatsächlich häufig gestellt. Aus dem Förderwesen habe ich gerade kein Beispiel parat, aber in Bezug auf wissenschaftliche Publikationen tauchen immer wieder vergleichbare Fälle auf. Stellen Sie sich einmal vor, in einem wissenschaftlichen Artikel findet sich gleich zu Beginn die Phrase „Sure, I can generate an abstract for you!“. Da muss man sich doch fragen: Wie konnte es so weit kommen, dass der Text in dieser Form überhaupt publiziert wurde? Offenbar wurde hier nicht nur von den Verfasser*innen KI eingesetzt, sondern von den Reviewer*innen – unterstelle ich jetzt einfach mal – ebenfalls, denn sonst hätte dieser Satz doch auffallen müssen. Das wirft natürlich grundlegende Fragen zur Qualitätssicherung auf.

Damit so etwas nicht passiert, auch nicht bei Förderanträgen, sind aus meiner Sicht zwei Dinge entscheidend: Erstens sollten Wissenschaftler*innen KI-Kompetenzen erwerben, damit sie lernen, KI-Tools nicht zum bloßen Generieren von Texten einzusetzen, sondern unterstützend und im Einklang mit den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis. Zweitens sollten wir uns – sofern wir das nicht ohnehin schon tun – einmal fragen, ob das Drittmittelwesen, wie es heute praktiziert wird, überhaupt noch zeitgemäß ist. Wissenschaftler*innen investieren sehr viel Zeit in das Schreiben von Anträgen, die ihnen für ihre eigentliche Aufgabe, die Forschung, fehlt. Entsprechend ist es völlig nachvollziehbar, dass man sich hier Entlastung durch KI wünscht. Beim Reviewen ist der Einsatz von KI in der Regel noch untersagt, sollte sich das jedoch ändern, könnte der gesamte Antragsprozess Gefahr laufen, zu einem bloßen Formalismus oder Ritual zu werden.

Welche Erleichterungen bieten KI-basierte Tools aktuell für das wissenschaftliche Arbeiten und wohin könnte die Linie der Entwicklung in Forschung und Lehre extrapoliert werden?

Eine große Erleichterung bieten Tools zur Literaturrecherche und -entdeckung, die ergänzend zur ‚klassischen‘ Literaturrecherche eingesetzt werden können. Auch der Einsatz von generativen KI-Tools als Sparringpartner*innen, zum Beispiel zur Entwicklung von Ideen, und als Feedbackgeber*innen ist meiner Ansicht nach eine Bereicherung. Hier gilt natürlich ebenfalls: Diese Tools sollten immer nur eine Ergänzung sein. Wenn jedoch keine menschlichen Ansprechpartner*innen zur Verfügung stehen, können sie eine große Hilfe sein, insbesondere für Promovierende.

Was den Einsatz von KI-Tools in der Lehre betrifft, variieren die Chancen und Möglichkeiten abhängig von der Disziplin. In der Informatik beispielsweise dürfte generative KI besonders bei der Vermittlung von Programmierkenntnissen hilfreich sein, indem entsprechende Tools Anfänger*innen dabei unterstützen, Konzepte besser zu verstehen und die eigenen Fehler leichter zu erkennen. Mir jedenfalls wären dadurch in den ersten Semestern viele Stunden des Kopfzerbrechens erspart geblieben.

Wichtig ist in jedem Fall, KI-Kompetenzen flächendeckend über alle Statusgruppen hinweg zu vermitteln. Ich kenne zwar viele Menschen, die das anders sehen und die generative KI am liebsten aus den Universitäten verbannen würden, aber ich selbst sehe das so: Es ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Tools ohnehin genutzt werden. Entweder geschieht das unter Anleitung oder heimlich und unreflektiert.

Wie sieht das in Marketing und Wissenschaftskommunikation aus – welche Möglichkeiten bieten Large Language Models gegenwärtig zur Effizienz- und Qualitätssteigerung im Kommunikations-Bereich?

Auch hier sind generative KI-Tools als Sparringpartner*innen besonders wertvoll. Sie können dabei helfen, Ideen zu entwickeln, Zielgruppen zu bestimmen und zu analysieren oder Aspekte und Effekte zu entdecken, die man möglicherweise übersehen hat. Das kann zum Beispiel eine Argumentation sein, die nicht ganz schlüssig ist, oder ein Fachbegriff, der nicht in ausreichendem Maße erklärt wurde. Auch bei Routineaufgaben wie dem Posten auf Social Media lässt sich mit KI-Unterstützung viel Zeit sparen, etwa wenn ein Beitrag auf verschiedenen Plattformen mit unterschiedlichen Anforderungen veröffentlicht werden muss.

Speziell im Bereich der Wissenschaftskommunikation kann generative KI die Hemmschwelle senken, selbst als Kommunikator*in in Erscheinung zu treten. Mich sprechen immer wieder Menschen an, die prinzipiell gerne ein eigenes Format ins Leben rufen würden, aber sich nicht trauen, mit ihrem Gesicht oder ihrer Stimme ins Licht der Öffentlichkeit zu treten. Gerade diesen Menschen bieten KI-Tools die Möglichkeit, trotzdem Erklärvideos, Instagram-Posts und viele andere Inhalte zu produzieren und zu veröffentlichen. Selbstverständlich gilt es auch dabei, gewisse Regeln und Rahmenbedingungen einzuhalten, sei es in Hinblick auf Urheberrechte, Transparenz oder schlichtweg die eigene Glaubwürdigkeit.

Welche Lektüre hat Sie zuletzt in Bann geschlagen – sei es Fachliteratur oder Belletristik?

Zuletzt habe ich Das Damengambit von Walter Tevis gelesen. Aktuell lese ich Der Fall Alice im Wunderland, einen Roman von Guillermo Martínez (der übrigens Mathematiker ist), und mir gefällt das Buch wie alles von ihm außerordentlich gut. Was die Fachliteratur angeht, habe ich ein etwas ungewöhnliches Hobby: Ich sammle und lese gerne alte, also inzwischen veraltete, Bücher über Technik und technologische Zukunftsvisionen. Gerade beschäftige ich mich mit Die Zukunft hat schon begonnen aus dem Jahr 1957, wo Robert Jungk darüber spekuliert, was sich aus seiner Sicht bis zum Ende der 1970er-Jahre im wissenschaftlichen und technischen Bereich ereignet haben würde. Ich sage es mal so: Zu einem solchen Technikoptimismus wäre ich manchmal auch gerne in der Lage.

Vielen Dank für das anregende Gespräch.

 
 

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