
Dr. Julia Rathke ist Coach, Trainerin und Hochschulforscherin. Sie bringt langjährige Erfahrung im Wissenschaftssystem und über zehn Jahre Praxis in der Begleitung beruflicher Übergänge mit. Ihr Fokus liegt auf beruflicher Orientierung, Profilbildung und authentischer Sichtbarkeit – an der Schnittstelle von individueller Reflexion und systemischem Verständnis.
Sie führt aktuell für das ZWM als Trainerin zwei Online-Veranstaltungen durch,
zum einen den Online-Workshop „Profil schärfen & Weichen stellen – Berufliche Übergänge im Wissenschaftsmanagement bewusst gestalten“ am 05. & 12.12.2025,
zum anderen das Kompakt-Webinar „LinkedIn im Wissenschaftsmanagement: Sichtbarkeit strategisch gestalten“ am 11.12.2025.
Liebe Frau Dr. Rathke, wie wichtig ist es im heutigen Arbeitsmarkt und Berufsleben für WissenschaftsmanagerInnen, das eigene Profil deutlich herauszuarbeiten und sichtbar zu werden bzw. zu bleiben? Sind authentische Visibility und Schärfung des eigenen Kompetenzprofils die neuen Must-haves bei der erfolgreichen Gestaltung von beruflichen Übergängen?
Gerade in Übergangsphasen ist es hilfreich, das eigene Profil zu klären – nicht nur inhaltlich, sondern auch im Hinblick auf Haltung und Ausrichtung. Sichtbar zu sein bedeutet dabei weniger, ständig präsent zu sein, als vielmehr, sich mit dem eigenen beruflichen Weg gut zu verbinden – und diesen in passenden Kontexten auch zu kommunizieren. Authentizität zeigt sich oft in kleinen, stimmigen Gesten: zum Beispiel in der Art, wie jemand einen Rollenwechsel innerhalb einer Einrichtung erklärt, ein komplexes Projekt nach außen vermittelt oder auf einer Plattform wie LinkedIn einen persönlichen Blick auf fachliche Entwicklungen teilt. In einem Feld wie dem Wissenschaftsmanagement, das stark von Schnittstellenarbeit und Rollenvielfalt geprägt ist, kann ein geschärftes Profil sehr dabei helfen, Orientierung zu geben – sich selbst und anderen.
Hat sich diese Tendenz mit dem Siegeszug der Social Media verstärkt? Was war bereits vor zehn Jahren State-of-the-art, was ist neu hinzugekommen?
Definitiv. Sichtbarkeit war auch vor zehn Jahren ein Thema – zum Beispiel in Form von CVs, Bewerbungen oder Fachveröffentlichungen. Aber soziale Medien haben die Schwelle zur Präsenz radikal gesenkt – und gleichzeitig erhöht. Sichtbar zu sein ist technisch heute leicht möglich, aber inhaltlich anspruchsvoller geworden: Das Wie macht den Unterschied. Neu ist die Herausforderung, sich auf digitalen Plattformen wie LinkedIn nicht zu verzetteln oder anzupassen, sondern mit einer eigenen Haltung präsent zu sein – sei es durch pointierte Beiträge, durch das Sichtbarmachen kollektiver Arbeitsprozesse oder durch klare Positionierungen in aktuellen Debatten. Lineare Karrierewege verlieren dabei an Bedeutung. Entscheidend ist eher, ob jemand über die Zeit hinweg ein konsistentes Feld sichtbar macht – eine erkennbare Verbindung von Kompetenz, Haltung und Kontext.
Ihr ZWM-Kompakt-Webinar bietet ganz spezifisch Know-how für einen professionellen Linkedin-Auftritt. Wie haben Sie über die letzten Jahre die Entwicklung bei diesem Netzwerk wahrgenommen? Was sind für WissenschaftlerInnen und WissenschaftsmanagerInnen die Alleinstellungsmerkmale von LinkedIn?
LinkedIn hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt – von einem Karrierenetzwerk hin zu einem Raum für fachlichen Austausch und kollegiale Resonanz. Besonders für Wissenschaftsmanager:innen bietet es die Möglichkeit, sich zu vernetzen, Impulse aufzunehmen und das eigene Profil in Verbindung mit anderen sichtbar werden zu lassen. Dabei muss man nicht unbedingt selbst Beiträge verfassen oder sich exponieren. Schon durch das Kommentieren, Teilen, Liken oder das bewusste Knüpfen von Kontakten kann Sichtbarkeit entstehen – oft auf eine stille, aber sehr wirkungsvolle Weise. LinkedIn ist in dieser Hinsicht erstaunlich flexibel: Jede*r kann dort auf eine eigene Weise sichtbar werden. Die Plattform bietet ein breites Spektrum an Möglichkeiten – von diskreter Präsenz bis hin zu aktivem Gestalten. Auch Plattformen wie wissenschaftsmanagement-online.de tragen dazu bei, das Feld sichtbarer zu machen und Vernetzung über Institutionsgrenzen hinweg zu fördern.
Sie sind seit vielen Jahren als Hochschulforscherin und Trainerin tätig – was sind für Sie im Bereich Wissenschaftsmanagement die „Mega-Trends“ – so es denn welche gibt?
Ich beobachte eine langsame, aber kraftvolle Verschiebung: weg von starren Strukturen, hin zu fluideren Rollenverständnissen. Kollaboration statt Kontrolle, Verbundenheit statt Silodenken – das sind für mich die Bewegungen, die das Feld prägen. Wissenschaftsmanager:innen werden mehr und mehr zu Raumhalter:innen für Transformationsprozesse, zu Brücken zwischen Disziplinen, Ebenen und Akteur:innen. Dabei spielt Kommunikation eine zentrale Rolle – nicht nur im Sinne von Information, sondern als Haltung: zuhören, übersetzen, verbinden. Es geht weniger darum, voranzugehen, als darum, Räume zu gestalten, in denen neue Formen des Zusammenarbeitens entstehen können. Die Herausforderungen der Gegenwart – von Nachhaltigkeit bis Digitalisierung – brauchen genau diese Qualität: resonanzfähig, kontextsensibel, zutiefst menschlich.
Welche Lektüre hat Sie zuletzt in Bann geschlagen – sei es Fachliteratur oder Belletristik?
„Beklaute Frauen“ von Leonie Schöler hat mich zuletzt sehr in Bann gezogen – ich habe es an einem sonnigen Sonntag in einem Rutsch gelesen. Das Buch erzählt von zahlreichen weiblichen Perspektiven und Leistungen, die im Lauf der Geschichte übersehen oder anderen zugeschrieben wurden. Beim Lesen habe ich nicht nur Wut, sondern auch eine tiefe Klarheit gespürt: über die Mechanismen, die bestimmte Stimmen sichtbar machen – und andere verschwinden lassen. Es hat mich daran erinnert, dass Sichtbarkeit nicht nur eine individuelle Frage ist, sondern auch eine strukturelle. Und dass es umso wichtiger ist, Räume zu schaffen, in denen alle Menschen gleichermaßen und auf ihre eigene Weise ihre Stimme finden, ihre Geschichte erzählen und als Teil eines größeren Zusammenhangs erkennbar werden. Dieses Thema gehört nicht der Vergangenheit an – es ist heute ebenso aktuell wie dringend.
Vielen Dank für das anregende Gespräch.